Der Tintenfisch und der Wal

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Was in Gottes Namen ist das bloß für ein Filmtitel? „Der Tintenfisch und der Wal“, das klingt eher nach dem Titel eines Kinderbuches, als nach einem ernsthaften Drama. Was es mit dem Titel wirklich auf sich hat, erfährt der Zuschauer auch erst in der letzten Einstellung. Der Film kreist um die Scheidung eines New Yorker Ehepaares und die Art und Weise, wie die beiden heranwachsenden Söhne damit umgehen können bzw. müssen. Die Handlung spielt – soweit ich das beurteilen kann – in den frühen 80er Jahren. Klingt nach trockenem Kinostoff, ist aber äußerst lebhaft gespielt und mit gutem Blick für kleine Details inszeniert worden.

Bernhard Bergman (Jeff Daniels) ist Schriftsteller. Zumindest war es das einmal. Seit einigen Jahren findet er keinen Verleger mehr für seine Bücher und verdient seine Brötchen als Lehrer am College. Seine Frau Joan (Laura Linney) ist dagegen gerade dabei ihre Karriere als Publizistin in Gang zu bekommen. Ihre Ehe besteht nur noch aus Routine, der Erziehung ihrer Kinder und unausgesprochenen Vorwürfen. Bernhard treibt seine Frau immer wieder mit seinem übermäßigen Ehrgeiz zur Weißglut, wie schon zu Beginn des Films deutlich wird, als die vier Bergmans sich auf dem Tennisplatz gegenüber stehen.

Die Fronten sind dort bereits geklärt. Walt, der ältere Sohn, spielt mit seinem Vater, den er bewundert und nachzuahmen versucht. Frank, der jüngere, spielt an der Seite seiner Mutter, die ihm emotional wichtiger ist und ihren Status als Intellektuelle in der Erziehung auch mal vergessen kann. Nicht so Bernhard, der am Frühstückstisch Walt davon abrät, „A Tale of Two Cities“ für die Schule zu lesen, da es sich um minderwertigen Dickens handeln würde. Joans Hinweis, er solle sich lieber selbst ein Bild machen, übersieht Walt nur zu gerne. Die Ehe ist nicht mehr zu retten, Bernhard bezieht ein Haus in einem benachbarten Stadtteil, das Sorgerecht soll geteilt werden. Walt und Frank kommen so unfreiwillig in den Genuß von zwei Kinderzimmern pro Nase. Eins hätte ihnen gereicht.

Einen klassischen Plot hat „Der Tintenfisch und der Wal“ nicht zu bieten, dafür aber mehrere interessante Entwicklungen. Walt bringt bald seine erste feste Freundin mit nach Hause, sein Vater lässt eine hübsche Studentin in seinem Haus wohnen, Joan beginnt eine neue Beziehung, und Frank verliert zunehmend die Orientierung. Er möchte bei seiner Mutter bleiben, sein Bruder hingegen macht sie allein für die gescheiterte Beziehung verantwortlich. Das liegt natürlich in erster Linie an Bernhard, der seinen Sohn auf diesen Trichter gebracht hat. Der bärtige, zunehmend frustrierte Vater nimmt mit seiner griesgrämigen Art die Rolle des Bösewichts ein, ohne jedoch als Alleinschuldiger dazustehen. Der Kern des Films besteht so in Walts langsamer Emanzipation von seinem übermächtigen Vater.

Die Darsteller spielen allesamt ohne Fehl und Tadel, wobei die Leistung von Jeff Daniels wohl am meisten im Gedächtnis bleiben wird. Einen sehr schönen Auftritt als charmanter Tennislehrer hat William Baldwin, der alle Menschen mit einem lässigen „Hey, brother“ anspricht. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, denn bei allem Ernst der Lage verlieren weder die Figuren noch das Drehbuch ihren Sinn dafür. Mit Mainstream-Unterhaltung hat der Film zwar nichts am Hut, trotzdem kann ich ihn all denen empfehlen, die vor dem Begriff „Scheidungsdrama“ nicht schreiend davon rennen.

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Nocturnal Animals © Focus Features

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