»Nebel im August« ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Robert Domes durch Regisseur Kai Wessel, der die wahre Geschichte des Ernst Lossa erzählt. Der 13-jährige gilt als schwer erziehbar und wird im Deutschland des Jahres 1944 in eine Kranken- und Pflegeklinik für Kinder sowie psychisch kranke und behinderte Patienten eingewiesen. Der Klinikleiter Dr. Veithausen hält strikt am Euthanasieprogramm fest: Gemeinsam mit dem Rest seiner Belegschaft plant er systematisch weitere Krankenmorde in seiner Klinik …
Wenn man an die cineastische Thematisierung der Opfer des Nationalsozialismus denkt, fallen einem zuerst Filme wie »Schindlers Liste«, »Der Pianist« oder »Das Leben ist schön« ein, die vorwiegend den Holocaust behandeln. Dass auch Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, psychischen oder potentiell vererbbaren Krankheiten die Opfer von Tötungsanstalten wurden, gerät da fast in Vergessenheit. Das zutiefst schockierende Thema wird in »Nebel im August« nun mit einer außergewöhnlichen Sensibilität und Zurückhaltung behandelt. Hier bedarf es keiner blutigen und ultra-brutalen Actionsequenzen, um dem Zuschauer den Schrecken begreiflich zu machen, der hinter den Kulissen der Heilanstalt abläuft. Es reicht bereits der eiskalte Blick der extra für die »Eliminierung« eingestellten Schwester Edith (gespielt von Henriette Confurius), die den Kindern den tödlichen »Himbeersaft« verabreicht. Die dem System hilflos ausgelieferten Kinder schließt man hingegen schnell ins Herz, allen voran den vom Newcomer Ivo Pietzcker gespielten Ernst Lossa, der den Film als Hauptdarsteller mühelos trägt.
Sebastian Koch glänzt als skrupelloser Klinikleiter
Der Cast von »Nebel im August« wird zudem grandios getragen vom Altmeister des Films Sebastian Koch (»Bridge of Spies«, »Das Leben der Anderen«) als Klinikleiter Dr. Veithausen. Die gespaltene Persönlichkeit des fürsorglichen, freundlichen und durchaus menschlichen Oberarztes, der innerhalb von Sekunden zum skrupellosen Werkzeug des Nationalsozialismus wird, jagd dem Zuschauer des Öfteren einen ordentlichen Schauer über den Rücken. So etwa, wenn er Kollegen auf einem Kongress hochwissenschaftlich seine erfundene, besonders diskrete Methode präsentiert, mit der man Patienten einfach mit nährstoffloser Suppe verhungern lässt. Neben den Kinderdarstellern wird die hoffnungsvolle »gute Seite« auch von Fritzi Haberlandt als katholische Schwester Sophia getragen, ebenso von Jungspund Herr Hechtle (Thomas Schubert). Dieser hinterfragt die fragwürdigen Methoden zwar ab einem gewissen Punkt, hat jedoch letztendlich keine Chance, dem System zu entkommen.
In der Ruhe liegt die Grausamkeit
»Nebel im August« schlägt über weite Strecken einen sehr ruhigen Erzählton an, doch es ist gerade diese Ruhe, in der die Grausamkeit so eindringlich dargestellt wird, dass sie den Zuschauer zeitweise an den Kinositz fesselt. Die Atmosphäre der Heilanstalt ist in kühlen, tristen und grauen Farben gehalten. Die Bilder der lieblosen, fast schäbigen Inneneinrichtung der Klinik sind meist mit melancholischer Klaviermusik untermalt, welche die Hoffnungslosigkeit noch nachdrücklicher ergänzt. Wir erleben die beängstigende und bedrückende Stimmung aus der Perspektive von Ernst, der ebenso wenig weiß, was um ihn herum passieren wird und welcher seiner Freunde der nächste sein könnte. Die anfängliche Bedrohlichkeit der psychisch kranken Insassen schlägt im Laufe des Films um, denn Ernst bemerkt schnell, dass diese letztendlich viel menschlichere Züge an den Tag legen als ihre Peiniger im weißen Kittel. Bis zum Ende fiebert man so mit dem Jungen mit, der sich gegen das System auflehnt und für den das unausweichliche Schicksal dann am Ende umso erschreckender zuschlägt, so dass der ganze Kinosaal beim Abspann immer noch die Luft anhält.